Tausendundein Strand
Die Spanierin Fátima Castaño Risco hat den schönsten Ort der Welt gefunden. Die Künstlerin, die seit einem Jahr in Vejer de la Frontera wohnt, lebte schon in vielen spanischen Städten: Valencia, San Sebastián, Badajoz. Doch erst in Vejer ist sie so richtig angekommen. Risco liebt das beschauliche Leben ohne Hektik: «Die Leute hier sind nett, unkompliziert und tiefenentspannt.» Jedes Mal, wenn die 38-Jährige weg war und ins Dorf zurückkehrt, geht sie zuerst ins Café la Piccolina.
Die Spanierin Fátima Castaño Risco lebt seit einem Jahr in Vejer. Ihr Atelier ist zugleich auch Wohnung und Laden. Hier verkauft sie Zeichnungen, Keramik und selbst gemachten Schmuck.
Das machen alle so. Einheimische wie Zugezogene. Hier reden sie über das Erlebte, bevor sie wieder im Zauber von Vejer versinken und entspannt ihren Dingen nachgehen. Diese lockere Art und Weise, das Leben zu führen, ist nicht nur den Menschen in Vejer eigen, sondern vielen Bewohnern der Costa de la Luz. Das macht eine Reise an den Küstenabschnitt im Süden Spaniens, auf welchem Meere, Kontinente und Kulturen aufeinandertreffen, so unvergesslich. Am besten macht man einen Roadtrip – oder bucht eine schöne Bleibe (TUI Hotel-Tipps) und erkundet die Gegend auf Tagesausflügen. Wer hinfliegt, kommt in Jerez de la Frontera an. Die Stadt steht zwar seit je im Schatten anderer andalusischer Schönheiten wie Cádiz und Sevilla, doch ein Besuch lohnt sich.
Schmucke Gassen schlängeln sich durch die verwinkelte Altstadt von Jerez.
Der Namenszusatz de la Frontera (an der Grenze) weist diesen und mehrere Orte der Region übrigens als umkämpftes Gebiet von Mauren und Christen aus. Wundervolle Bauwerke aus jener Zeit gibt es in Jerez einige, das bekannteste ist die Festung Alcázar aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. Der Start in den Tag gelingt hier am besten im Mercado Central de Abastos, wo man mit einer Tüte Churros (lokales Süssgebäck – die leckersten gibt es vor dem Eingang zum Markt beim Plaza De Jerez) in der Hand den Fisch- und Gemüsehändlern zuschaut. Frisch gestärkt, geht es weiter auf den Spuren von Jerez grösstem Stolz: dem Sherry.
«Die Lokale in Jerez protzen von aussen nicht mit ihrem Aussehen – dafür im Innern umso mehr»
Zusammen mit den Städten Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa María bildet Jerez das sogenannte Sherry-Dreieck. Auf dieses Erbe gibt man viel. Das zeigen die gepflegten und gut erhaltenen Bodegas, die sich überall in der Stadt hinter meterdicken Mauern verbergen. Eine davon ist die Bodega Díez Mérito. Hier werden auch Führungen in Deutsch mit anschliessender Degustation angeboten. Es wird erklärt, wie der Likörwein sein an Mandeln und Hefe erinnerndes Aroma bekommt. Die Fässer, in welchen der Sherry gelagert wird, sind aus amerikanischer Eiche und oft über hundert Jahre alt. Sie werden schwarz angemalt, damit allfällige Lecks schneller erkannt werden.
Hochprozentig! Der Shery der Bodega Díez Mérito hat es in sich. In den dunklen Bodegas glitzert der auslaufende Wein nämlich auf dem schwarzen Holz.
Genau wie ihre Stadt geben auch die Lokale und Bars in Jerez nicht mit ihrem Äusseren an. Die Fassade des umgebauten Stalles an der Plaza de la Asunción, in der sich jetzt die Tapas-Bar Las Cuadras befindet, wirkt von aussen eher bescheiden. Doch ein Blick durch die grossen Fenster zeigt: Ein Gang hinein lohnt sich! Die Inneneinrichtung ist voller Überbleibsel aus einer früheren Zeit. Es hängen geflochtene Körbe, alte Kupferpfannen und allerlei Werkzeug aus Holz an den Wänden. Die Spezialität des Hauses: fein geschnittenes, frittiertes Schweinefleisch – auf der Karte als «Chicharrones especiales» aufgeführt. Unbedingt probieren – am besten mit einem Spritzer Zitrone! Wie in vielen Tapas-Bars kann es hier sehr voll werden, und man muss sich lautstark an der Bar bemerkbar machen, um zu bestellen. Wer eine ruhigere Variante bevorzugt, ist im «La Carbona» gut aufgehoben. Im trendigen Lokal, das sich in einer ehemaligen Bodega befindet, ist – wen wunderts? – der Sherry der Star. Zwei Menüs, bei welchen zu jedem Gang ein anderer Wein gereicht wird, stehen zur Auswahl. Wenn mal die frische Atlantik-Brise weht und man nicht recht weiss, was machen, dann überrascht einen Jerez mit einer angesagten Wellnessoase: dem Hammam Andalusí.
Die gemütliche Dachterrasse des Hammam Andalusí.
Wer hier zusätzlich zu Bad und Massage ein Essen bucht, bekommt dieses auf der Dachterrasse mit einzigartigem Blick auf die Kathedrale serviert. Die herausgeputztere Variante von Jerez ist nur etwa 20 Minuten Autofahrt entfernt und liegt am Atlantik: Cádiz. Die Stadt, die schon von Mauren und Arabern beherrscht wurde, gilt als älteste Europas und strotzt nur so vor Geschichte und Schönheit. Die Gassen sind eng, der Blick von der Kathedrale auf den Atlantik und die Altstadt atemberaubend und die Gaditanos (so werden die Bewohner von Cádiz genannt) locker und gastfreundlich. Im «Narigoni Gelato» steht Juan mit einem spitzbübischen Lachen hinter dem Tresen. Die selbst gemachte Glace lockt Scharen von Kunden in die Eisdiele, doch der junge Gaditano lässt sich nicht stressen, wirbt für seine liebste Sorte (Himbeer!) und hat für Fragende auch noch Tipps. Sehr cool findet er den Strand von Caleta:
Wer will, kann dort wie Halle Berry im James-Bond- Klassiker «Stirb an einem anderen Tag» sinnlich aus dem Meer auftauchen.
Die berühmte Szene wurde hier gedreht, ist im Film jedoch in Kuba angesiedelt. Da Havanna und Cádiz in der spanischen Kolonialzeit eine wichtige Seeverbindung besassen, ähneln sich die Städte, und Cádiz wird zuweilen auch Habanita (Klein Havanna) genannt. Überhaupt hat in Cádiz fast alles eine historische Bedeutung. Da gibt es zum Beispiel das Café Royalty an der Plaza Candelaria, das 1912 zum 100. Jahrestag der Verfassung von 1812 eröffnet wurde und Treffpunkt der zeitgenössischen Intellektuellen war.
Das Café Royalty ist eine Institution in Cádiz.
Die Inneneinrichtung mit Schnitzereien, Gemälden und grossen Spiegeln bezaubert den Betrachter. Empfehlenswert ist hier das pikante andalusische Frühstück: getoastetes Brot mit Olivenöl und pürierten Tomaten.
Typisch andalusische Frühstück: getoastetes Brot mit Olivenöl und pürierten Tomaten.
Um ihn kommt man in Andalusien nicht herum: den Flamenco! In Cádiz ist das «La Cava» die beste Adresse dafür. In der rustikalen Taverne finden jeweils dienstags, donnerstags und samstags Flamenco-Shows statt, zu denen Getränke und traditionelle Tapas wie Hackfleischbällchen und Kartoffel-Tortillas serviert werden. Wenn Alejandro beginnt mit der Gitarre zu klimpern, Jesus die ersten emotionalen Töne anschlägt und Elena die Bühne betritt, dann kann man nicht anders, als die Zeit zu vergessen und mit offenem Mund mitanzusehen, wie viel Leidenschaft diese Künstler auf die Bühne bringen.
In der Taverne La Cava gibt man sich der Flamenco-Kunst von Tänzerin Elena hin.
Zwei Stunden ist der Kopf voller Glücksgefühle, und die Idee wächst, vielleicht selber Flamenco-Unterricht zu nehmen. Von Cádiz gehts die Küste hinunter Richtung Süden. Hier gibt es viele Strände, die zum Baden und Verweilen einladen. Einer der bekanntesten: Playa de Bolonia. Das feine, weisse Sandufer macht einen leichten Bogen und endet in einer 30 Meter hohen Düne. Es lohnt sich, diese zu erklimmen. Oben bietet sich eine herrliche Sicht aufs Meer und den Wald aus Schwarzkiefern. Bolonia zieht viele Touristen an. Ruhiger baden lässt es sich am Strand von Paloma. Das liegt wohl auch daran, dass er nicht so einfach zu finden ist: Nach der Playa de Valdevaqueros führt der schmale Weg noch zehn Minuten weiter. Beim Parkplatz schlängelt sich dann ein Pfad zum Strand hinunter.
Aus der Vogelperspektive über die Küste von Bolonia.
Am südlichsten Punkt der Iberischen Halbinsel – in Tarifa – ist die Nähe zu Afrika spürbar. Mit der Fähre sind es nur 35 Minuten nach Tanger in Marokko. Hier trifft der Atlantik auf das Mittelmeer, und es herrschen oft perfekte Windverhältnisse zum Kiten oder Surfen. So versammeln sich zu jeder Jahreszeit Wassersporthungrige an den Stränden. Wer nach dem Sport Hunger bekommt, isst in der trendigen Beachbar Waikiki einen «Hamburguesa Waikiki» (Black-Angus-Burger vom Grill) und genehmigt sich das erste kühle Bier. Die Alternative ohne Beachsound: ein Schattenplatz in einem der zahlreichen Lokale von Tarifas Altstadt. Auch Brunch-Begeisterte werden hier glücklich. Im Café Azul bestellen sie eine Vitaminbombe: Müesli mit frischen Früchten, Joghurt und Kokosstreuseln, dazu noch einen Bananen-Smoothie. Auch sehr fein: das vegetarische Restaurant Chillimosa. Viele Speisen wie den Sojaburger oder den Seitankebab gibt es auch zum Mitnehmen – zum Beispiel an den Strand.
Tarifa ist wegen seiner guten Windverhältnisse Anziehungspunkt für Surfer und Kiter.
Das Zusammentreffen von Atlantik und Mittelmeer bringt in Tarifa noch eine weitere Besonderheit mit sich: die fischreiche Strasse von Gibraltar! Wo täglich 300 Containerschiffe durchfahren, tummeln sich in grosser Zahl Delfine und Wale. Bemerkt hat das vor 20 Jahren auch die Schweizerin Katharina Heyer, die im Laufe der Zeit die Stiftung Firmm aufgebaut hat und Walbeobachtungen mit dem Schiff anbietet. Für Heyer steht das Wohl der Tiere an oberster Stelle. Als sie vor Jahren mehr Schutz für die Meeressäuger verlangte, wurde sie von vielen ausgelacht.
Heyers Tipp: im Juli oder August kommen! Dann besteht eine grosse Chance, sogar Orcas zu sehen.
«Als Frau und Schweizerin hatte ich es nicht leicht, mich hier durchzusetzen», erklärt die Aargauerin während einer Walbeobachtungstour. Mittlerweile hat sie sich ihren Platz an der Costa de la Luz erkämpft. Und macht viel für die Forschung: Heyer zeichnet bei jeder Fahrt aufs Meer Daten auf. Mit dem gesammelten Material konnte sie schon verhindern, dass eine weitere Fährverbindung zwischen Spanien und Marokko in Betrieb genommen wird.
Die gebürtige Aargauerin Katharina Heyer wanderte vor 20 Jahren nach Tarifa aus und gründete eine Stiftung zum Schutz von Walen und Delfinen.
Da die Fahrten oft ausgebucht sind, ist eine Reservation empfehlenswert. Auf die Saison freut sich Heyer, die in diesem Jahr 76 wird, auch nach so vielen Jahren immer aufs Neue. Dann kann sie wieder täglich aufs Meer hinausfahren und in der Nähe der Tiere sein, die Tarifa zu ihrer zweiten Heimat machten. Genug von Strand und Meer? Ein Abstecher in eines der berühmten weissen Dörfer im Hinterland bringt Abwechslung. Zwei Highlights: Zahara de la Sierra und Ronda. Oder man geht zurück auf Anfang, zu Fátima Castaño Risco in Vejer de la Frontera, in ihr Atelier an der Calle José Castrillón.
Ein Traum in Weiss Die Gassen und Ecken von Vejer de la Frontera
Hier ist sie nicht nur zu Hause, sondern verkauft auch ihre selbst gemachte Kunst: Bilder (jedes erzählt eine Geschichte, man muss sie nur danach fragen), Schmuck und Keramik. Übernachtungstipp: «La Casa del Califa». Das kleine Hotel – es gibt nur 20 Zimmer – erstreckt sich über mehrere verwinkelte Etagen, und man braucht eine Weile, um alles zu entdecken: Da gibt es die Dachterrasse mit bequemen Sofas und Aussicht auf Vejer, das lange Spielzimmer mit diversen Brettspielen und den gemütlichen Leseraum mit alten Landkarten von Andalusien. Auch das dazugehörende Restaurant El Jardín Del Califa ist lohnenswert. Hier werden marokkanische und nahöstliche Köstlichkeiten wie Tajine, Couscous und Hummus aufgetischt. Allein schon die scharfen Oliven, die als Amuse-Bouche gereicht werden, sind ein Genuss. Und wer Lust hat, setzt sich ins «La Piccolina» zu den Einheimischen und Zugezogenen, lauscht ihren Geschichten – und erzählt vielleicht selber eine.
TEXT MANUELA ENGGIST
FOTOS CLAUDIA LINK
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