Apulien – Dolce Vita und jede Menge Italianità
Mach mal blau! Dolce Vita und jede Menge Italianità: Auf dem Stiefelabsatz schwebt es sich besonders süss durchs Leben. Es warten BUNTE GELATI, silberne Olivenhaine, türkisfarbene Buchten – und eine weisse Stadt.
Bitter oder süss? Der Geschmack ist schwer zu bestimmen. Auf der Zunge dominiert eine salzige Note. Im Gaumen bestimmt die herbe Rinde alter apulischer Olivenbäume den Abgang. Uralter Bäume! Die knorrigsten Wesen,durch Wind und Zeit zu Skulpturen geformt, zählen tausend Jahre. Die Olivenölprobe mit Juniorchefin Vita D’Amico ist ein Erlebnis. Aus 6000 «ulivi secolari», die wie silbrige Bänder die Hügel von Cisternino überziehen, produziert der Familienbetrieb Il Frantolio di D’Amico Pietro jährlich 80 000 Liter Öl.
Trisole heisst ihr Trendlabel. Die Etiketten stammen vom Designer-Duo Dolce und Gabanna. «Besonders beliebt sind Öle mit Zitronen- und Orangenaroma», sagt Business-Lady Vita. «Sie passen besonders gut zu Risotto, Crevetten und Salat.» Wein, Weib und Gesang war schon das Motto der alten Römer, die mit dem Ochsenkarren auf der Via Appia von Rom nach Brindisi fuhren. Heute nimmt man am Flughafen bequem einen Mietwagen und begibt sich auf Entdeckungsreise. Apulien ist eine kulinarische Schatzkammer. Hier gedeihen nicht nur prächtige Olivenbäume. Auch der süffige Primitivo, eine der Lieblingsrebsorten vieler Schweizer, ist in aller Munde. Misswirtschaft, Mafia, Müllkippen? So pauschal trifft das für den südlichsten Zipfel Italiens nicht zu.
Der Duft von Oleander und Zitrusfrüchten liegt in der Luft. Alles ist herrlich altmodisch und entspannt mediterran. Fernab vom Massentourismus taucht man ein in die Ursprünglichkeit des Landes und erkundet auf Märkten und beim Händler die Gaumenfreuden Puglias – wie bei Luigi Minerva. Seine Enoteca Tholos befindet sich in einem Trullo in der Fussgängerzone von Alberobello. Im Sommer herrscht im Dorf, das zum Weltkulturerbe zählt, ein einziges Stop-and-go. Die ältesten Kuppelbauten in der Gegend stammen aus dem 14. Jahrhundert. Ursprünglich wurden sie als Gräber für Verstorbene, später als Hirtenhütten benutzt.
Luigis Reich ist bis unters Dach mit Leckereien gefüllt. Die Weinprobe für zwei Personen mit lokalen Speisen (nur auf Anmeldung!) macht eine Grossfamilie satt. Seine buttrig-sahnige Burrata, die dampfende Focaccia barese, die würzige Salsiccia casareccia piccante oder der auf der Zunge schmelzende Ricotta alla Crema Dolce di Leccina – köstlich! Blitzschnell bereitet der Weinkenner die zwanzig Gänge hinter der Theke zu und kredenzt dazu die passenden Tropfen. Auch sein Grappa Bianca zwackt nicht in den Backen. Souvenirs? Ja klar. Der Chef packt ein Glas Crema Dolce aus schwarzen Oliven ein. Die Gewürzmischung Spaghettata Tropeana. Und eine Fertigpackung Orecchiette con Cime di Rapa. Arrivederci – weiter gehts in die Heimat der «kleinen Öhrchen».
Die Orecchiette pugliesi werden von Hausfrauen in Bari mit dem Daumen flach gedrückt. So bekommen sie ihre typische Form. Auf Sieben werden sie in Hinterhöfen getrocknet. Besonders lecker schmecken die Teigwaren in der Osteria Le Arpie unter dem Torbogen. Ebenfalls ein Geheimtipp ist die Rosticceria L’Antico Borgo in Cisternino. Esel-Rouladen, Nierchen, Würstchen? Bei Metzger Piero Menga sucht man sich erst das Fleisch aus. Dann wird alles am Spiess gegrillt und kriegt so sein Fett ab. Sandra Pantaleo schmeisst den rappelvollen Laden mit helvetischer Inbrunst. Vor sieben Jahren wanderte die Appenzellerin in den Salento aus. Nicht weil ihr ein italienischer Sonnyboy schöne Augen machte. «Ich verbrachte hier als Kind meine Ferien und wusste: Da möchte ich einmal leben.» Sie liebt Den Reiz des Unperfekten, den Fellini- Charme der Menschen. Die mystische Ausstrahlung von Locorotondo, Altamura, Martina Franca – und Ostuni, der «weissen Stadt». Das stolze Hohenstaufen- Schloss Castel del Monte sollte man ebenso gesehen haben wie die Basilika der heiligen Caterina in Galatina.
Lecce, «das Florenz des Südens», auch. Und die pittoresken Fischerdörfer Mono- poli und Polignano a Mare. Letzteres thront, frisch herausgeputzt, spektakulär wie ein Adlerhorst auf der Klippe. Viel Geld wurde in den letzten Jahren in den Tourismus investiert. Vielerorts blenden die weissen Fassaden der herrschaftlichen Masserias in der Sonne, sodass man unweigerlich die Augen zusammenkneift. Fläzen am Pool, eine Runde Golf, Yoga, Fotografie- Kurse: Selbst die Hollywood-Stars Justin Timberlake und Jessica Biel lassen auf dem Land die Seele baumeln. Stilvoll ist das «Torre Maizza» in Savelletri mit Zugang zum hippen Coccaro Beach Club. Driver oder Fahrrad? Die Velotour ans Meer führt auf schmalen Strässchen bis zur Küste. Der Seafood im Strand-Bistro ist exzellent. Chillig: die «Villa Cenci» in Cisternino. Hier wohnt man in stilechten Trulli-Bungalows, die von Kakteenfrüchten umrahmt sind, und geniesst das Dolcefar- niente am grosszügigen Schwimmbad. Herrschaftlich: die märchenhafte Hochzeits- Location Tenuta Moreno in Mesagne. Mondän: das Grand Hotel la Chiusa di Chietri in Alberobello mit Spa und Spitzenküche. Je weiter südlich die Reise führt, desto abwechslungsreicher präsentiert sich die apulische Halbinsel. Die Grotta della Poesia in Roca Vecchia gehört zu den aufregenderen Naturpools des Landes, wenn nicht der Welt.
Der Legende nach inspirierte eine wunderschöne Prinzessin Dichter und Poeten zum Schwimmen und Singen. Heute halten sich die modernen Prinzessinnen kichernd an den Händen, wenn sie den Viermetersprung vom Felsen in die grünblaue Lagune wagen. Steile, abgetretene Steinstufen führen in die Grotta Zinzulusa bei Castro. Fünf Euro kostet der Eintritt. Die Besichtigung lohnt sich nur, wenn man nicht weiterreist zur grossen Schwester in der Stadt Castellana Grotte. Fremdenführerin Annalisa sieht aus wie ein Teenager, erkundet dort aber schon seit 16 Jahren die drei Kilometer langen Tunnelsysteme der Castellana-Höhlen.
Auf dem zweistündigen Rundgang erklärt sie in siebzig Metern Tiefe die neunzig Millionen Jahre alten Fossilien und faszinierenden Hohlräume: «Stalaktiten und Stalagmiten wachsen in vierzig Jahren nur einen Zentimeter. Schrecklich, dass viele Besucher trotzdem achtlos am Naturwunder herumzerren.» Der Höhepunkt kommt zum Schluss. Ganz am Ende des Höhlensystems löscht Annalisa das Licht. Unsicher tapst ihre Gruppe bis zu einer Abschrankung. Dann betätigt sie den Schalter – und man steht mittendrin in der eindrucksvollen «Weissen Grotte», die wie Alabaster schimmert. «Ecco, das achte Weltwunder», ruft sie. Man kann ihr nicht widersprechen.
Vor lauter Staunen bleibt der Mund offen! Auf Höhlentaucher warten im Ionischen Meer (an der Ostküste Apuliens) und an der Adria-Westküste über hundert Grotten und Wracks. Tauchinstruktor Alessandro Sacco vom Robinson Club Apulia in Marina di Ugento begleitet die Touren.
Die Sandstrände bei Galgano sind eine Augenweide – auch wenn die Bezeichnung «Le Maldive del Salento» etwas zu hoch gegriffen ist. Einig hingegen ist man sich beim Sonnenuntergang. Das Farbspektakel vom südlichsten Zipfel Punta Ristola bei Santa Maria di Leuca wärmt die Seele. Der Himmel glüht. Es scheint, als werde das Meer von flüssiger Lava überzogen. Auf die Dämmerung folgt Dunkelheit. Von Torre Vado bis Porto Cesareo gehen die Lichter an. Auf den hübschen Piazze in Gallipolis Altstadt versammelt sich Jung und Alt zum fröhlichen Nichtstun. Es riecht nach Pizza und grillierten Sardinen. Die Bambini tollen bis Mitternacht herum. Vor der Trend- Gelateria Martinucci am Corso Roma bildet sich eine lange Schlange. Adriano Celentanos Gassenhauer «Il tempo se ne va» erklingt aus dem Lautsprecher. Das ist der Zauber des Südens.
Schön ist das Leben in Bella Italia.
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